D62

Sessel
Bauhaus Original
El Lissitzky
1928


D62

Architektur, die rollt,
schwimmt, fliegt

Rahmen

Ahorn, Buche oder Variante

Polsterung

Stoff oder Leder

Maße (cm)

Breite: 75
Tiefe: 63
Höhe: 71
Sitzhöhe: 43

Variante D62E

Edelstahl hochglanz
poliert

1926 postulierte der Architekt, Fotograf, Designer, Grafiker und Maler: „Die statische Architektur der ägyptischen Pyramide ist überwunden: unsere Architektur rollt, schwimmt, fliegt. Es kommt das Schweben, Schwingen. Die Form dieser Realität will ich miterfinden und gestalten.“ Der Konstruktivist schuf Bildkompositionen und Layouts, die die Grenzen des Gekannten sprengen. Diese Kraft war in zahlreichen Projekten und Pavillons zu erleben – und steckt ebenso in dieser Sitzskulptur.


Der konische Clubsessel wirkt unglaublich modern und könnte durchaus ein Halbjahrhundert später entstanden sein, also Ende der Siebziger Jahre. Tatsächlich entwarf El Lissitzky den Sessel bereits 1928 für den sowjetischen Pavillon der Internationalen Kölner Druck- und Presse-Ausstellung „Pressa“. Er war Teil des Auftritts der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Element eines Gesamtkunstwerks aus dem monumentalen, fabrikähnlichen Pavillon und einem vor Fotos, Typographie und Installationen berstenden Innenleben.

Im Gegensatz dazu strahlt der Sessel D62 Ruhe aus. Der konstruktivistische Architekt spielt mit zwei Ansichten und zwei gegensätzlichen Materialien: einer harten, dünnen, gleichwohl biegsamen Hülle und einem weichen‚ vergleichsweise voluminösen Kern.

Getragen wird das Objekt von einem gespannten Holzrahmen aus Ahorn oder Buche, dessen konische Form eine geradezu üppige Leder-Polsterung für Rücken und Sitzfläche umfängt. Diese reicht bis zum Boden. Fast entsteht der Eindruck, ein Schalentier vor sich zu haben mit hartem Panzer und strahlend weichem Kern, das Besitzer einlädt, Platz zu nehmen.
 



Der visionäre Konstrukteur. Der Universalkünstler El Lissitzky (1890-1941) ist einer der Hauptvertreter des Konstruktivismus. Der Architekt, Fotograf, Designer, Grafiker und Maler studierte zunächst Architektur an der Technischen Hochschule Darmstadt (1909-14) und in Moskau (1914-18) und unterrichtete – eingeladen von Marc Chagall – an der Kunstschule Witebsk, wo er auf Kasimir Malewitsch trifft. Lissitzky selbst bezeichnete sich gerne als Konstrukteur. Begeistert von exakten Wissenschaften und der Technik der Neuzeit schuf er fortan geometrisch-abstrakte Arbeiten (Proun = Projekt zur Bestätigung des Neuen), die scheinbar schwerelos im Weltraum schweben.


Berühmt, aber nicht gebaut, wurde sein „schwebendes, horizontales Hochhaus“ von 1924 / 25, dessen Name „Wolkenbügel“ möglicherweise auf Hans Arp zurückgeht. Der „Wolkenbügel“ war El Lissitzkys Beitrag zur Modernisierung der Stadt, ein beliebig anzuwendender Prototyp, der markante Punkte auszeichnen sollte. Der „Wolkenbügel“ wurde zugleich zur Ikone der Moderne und sein Erschaffer sollte Recht behalten: „Nur Erfindungen werden die Gestaltung beeinflussen.“ Der Wolkenbügel und seine Kragkonstruktion prägten auch die Entwicklung des Kragstuhls auf der Basis eines neuen Zeitgefühls: des Schwebens und Schwingens.

Als Gestalter prägte der Konstruktivist El Lissitzky die Avantgarde der Zwanziger Jahre wesentlich. Unvergessen ist seine Tribüne für Lenin, die den Revolutionär in einer weit ausladenden Stahlkonstruktion über dem Boden zu schweben scheint und die Geste Lenins bei seinen Propagandareden zitiert.

Tectas Zusammenarbeit mit Lissitzkys Witwe und Sohn Jen geht auf das Jahr 1978 zurück und gilt zunächst einem gebogenen Sperrholzstuhl, ursprünglich für die Hygiene-Ausstellung 1930 in Dresden entworfen. Der Beginn einer Reihe von gemeinsamen Schritten und Entdeckungen.